Copacabana oder Kacheln

Rob Muffels
Foto : Jo Kleindl
Am Montag dieser Woche hat Rob Muffels seine letzte mündliche Prüfung zum Abitur abgelegt, im Fach Ethik. Er hat danach noch einige bürokratische Wege absolviert, ehe er dem Sportgymnasium einen letzten Blick widmete. Er fühlte weder Erleichterung noch Glück, eine Etappe seines Lebens beendet zu haben. “Ich habe nichts gefühlt, für mich war das ein normaler Schultag”, stellte der 20-Jährige selbst etwas verwundert fest. Womöglich lag das daran, dass sein Fokus viel zu sehr auf die kommenden Aufgaben gelegt ist. Es warten noch einmal bewegende Wochen auf den Freiwasser-Schwimmer des SC Magdeburg, die in der Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Kasan (Russland/24. Juli bis 9. August) münden sollen.

Und am Ende dieser WM wird Muffels wissen, ob er einen Start bei den Olympischen Spielen in Rio im offenen Meer vor der Copacabana anstreben darf oder ob er für seinen Traum Kacheln zählen muss. Bis zu dieser Entscheidung liegt eine lange Zeit der Eventualitäten: “Die Chance, auf den olympischen zehn Kilometern die WM und damit Rio zu erreichen, ist sehr gering”, erklärte Muffels vor dem Freiwasser-Weltcup in Balatonfüred (Ungarn) am kommenden Sonnabend. Es ist zugleich die zweite WM-Qualifikation. Damit beginnen seine Wochen der Wahrheit.

Beim ersten Wettbewerb in Cozumel (Mexiko) im Mai hatte Muffels nur Rang 34 belegt. “Ich hatte im Vorfeld zu viel gemacht”, hat er analysiert. Er war der viertbeste Deutsche, die besten zwei in Addition beider Rennen lösen das WM-Ticket und erhalten in Kasan zugleich die Chance, mit einem Platz in der Top Ten direkt nach Rio zu schwimmen. Muffels: “Im Optimalfall muss ich das Rennen in Balatonfüred gewinnen.” Und zudem satte 25 Plätze eher ins Ziel kommen als der derzeit Zweite in der Quali-Wertung: Christian Reichert (Wiesbaden).

Deshalb baut er sich aber keinen Druck auf. Vielmehr will er das Rennen nutzen, um sich auf die deutschen Freiwasser-Meisterschaften vom 25. bis 28. Juni in Lindau vorzubereiten. Am Bodensee hat er sich einiges vorgenommen: “Ich will nachweisen, dass ich das Niveau für die WM-Qualifikation hatte. Ich möchte meinen Titel über die zehn Kilometer verteidigen. Und ich möchte mich über die fünf Kilometer für die WM qualifizieren.” Über die nichtolympische Distanz also, über die er bei den Europameisterschaften 2014 in Berlin überraschend die Silbermedaille gewonnen hatte.

Muffels und sein Trainer Bernd Berkhahn sind in ihrem Olympiaplan gedanklich bereits einen Schritt weiter: Sollte es zum Start über die zehn Kilometer im Freiwasser nicht reichen, werden sie einen alternativen Weg nach Rio im Becken gehen: Dieser Weg ist zwar nur 1500 Meter lang, aber er wird ebenso kein leichter sein. “Ich bin vor drei Jahren mit dem Ziel Rio nach Magdeburg gekommen”, betonte der Elmshorner. “Und das habe ich nicht aus den Augen verloren.”

Zumindest hat er den Vorteil, “dass ich im Vergleich zu anderen Freiwasserschwimmern noch eher eine Beckenaffinität habe”. Sein persönlicher Rekord über die 1500 Meter Freistil steht seit 2012 bei 15:18,82 Minuten. Um sich für Rio zu qualifizieren, “muss man um die 15 Minuten schwimmen, wenn das mal reicht”.

Muffels ist nicht sonderlich enttäuscht über seine aktuelle Situation, vielmehr trainiert er einfach weiter. So hat er im Höhentrainingslager in Sierra Nevada (Spanien) zuletzt drei Wochen lang seinen Freiwasser-Plan konzentriert abgearbeitet: Er schwamm in jener Zeit etwa 280 Kilometer. Ganz nach dem Motto: Auch die geringste Chance möchte genutzt werden.

von Daniel Hübner
Quelle: volksstimme.de