Ein Albtraum kommt selten allein

Bernd Berkhahn (li.) und Thomas Ackenhausen (re.)
Foto : Eroll Popova
Von Daniel Hübner

Magdeburg | Thomas Ackenhausen wollte eigentlich gar nicht darüber reden. Der Rückruf am Freitag ist ihm hörbar schwergefallen. Er konnte nur das berichten, was auch sein Kollege Frank Embacher aus Halle der „Mitteldeutschen Zeitung“ berichtet hatte. Für beide kam der Albtraum per Weihnachtspost vom Deutschen Schwimmverband (DSV): „Die Kündigung wurde mir Heiligabend zugestellt“, bestätigte Ackenhausen.

Ackenhausen ist 59 Jahre, seit 1994 stand er in Diensten des DSV. Vornehmlich betreute der Trainer den Anschlusskader beim SC Magdeburg, zwischenzeitlich hatte er die Aufgaben als Coach der Leistungssportler übernommen. Und nun, ohne Vorankündigung, wurde Ackenhausen zum 31. Dezember vom DSV gekündigt – mit einer Frist von lediglich sieben Tagen. Wie Embacher verklagt auch er den Verband und will sich zum „schwebenden Verfahren nicht äußern“. Halles Bundesstützpunktrainer Embacher erklärte indes im MDR: „Ich bin sehr enttäuscht vom DSV.“

Während Ackenhausen in einem unbefristeten Anstellungsverhältnis arbeitete, hat Embacher, der Paul Biedermann 2009 zum Doppelweltmeister gemacht hat, in den vergangenen acht Jahren jeweils pro Olympiazyklus einen befristeten Vertrag erhalten. Entsprechend wollte er zur „Taktik und Strategie“ seiner Klage nichts sagen. In jedem Fall werde er weiter für den Bundesstützpunkt Halle kämpfen, erklärte der 52-Jährige. Denn dieser ist selbst als geplanter Gemeinschaftsstandort mit Magdeburg inzwischen in Gefahr – der zweite Albtraum.

In der neuen Bundesstützpunktstruktur im Zuge der Leistungssportreform, die am 3. Dezember in Magdeburg von den Mitgliedern des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) beschlossen wurde, liegt der Hauptgrund der Kündigungen der beiden erfahrenen Trainer. Das bestätigte Helmut Kurrat, Leiter des Olympia-Stützpunktes Sachsen-Anhalt: „Hintergrund der Kündigungen ist, dass die bisherige Anzahl der Stützpunkte die Finanzsituation des DSV überfordert.“ Erst recht, weil der DOSB bislang keine eindeutige Aussage zur künftigen finanziellen Unterstützung des Verbandes getroffen hat. Bislang ist geplant: Der DSV wird in den Jahren 2017/18 mit 93, in den Jahren 2019/2020 mit 75 Prozent der bisher gezahlten 1,2 Millionen Euro unterstützt.

Gerade im Fall Embacher könnten allerdings auch subjektive Gründe eine Rolle gespielt haben. Als Bundestrainer Henning Lambertz nach dem Debakel bei den Sommerspielen in Rio de Janeiro (keine Medaille) sein neues Maßnahmenpaket mit neuem Kraftkonzept (alles auf Maximalkraft) und härteren Normen für den Saisonhöhepunkt vorstellte, gehörte Embacher zu den nicht wenigen Kritikern. Er könne neue Konzepte nicht einfach abnicken, sagte er im MDR. Dabei handele es sich aber immer um „Kritik, um den DSV voranzubringen“.

Vor drei Monaten konnte Kurrat optimistisch auf eine Zukunft des neuen Stützpunktes Halle/Magdeburg blicken, eine erste Liste des DOSB hatte dies so vorgesehen – inzwischen muss und wird auch er um den Standort kämpfen. Die Zeichen stehen jedenfalls auf Sturm: In einem Interview mit der „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ vom vergangenen Montag sprach Lambertz erneut von einer künftigen Reduzierung der bislang vom Bundes-Innenministerium bestätigten sieben auf fünf Stützpunkte (Becken) mit Essen, Berlin, Hamburg und Heidelberg sowie Halle/Magdeburg oder Potsdam. Die Freiwasser-Athleten sollen derweil in Würzburg auf Hochleistung getrimmt werden. Am Ende entscheidet das aber nicht Lambertz, sondern der DOSB.

Kurrat hat dem DOSB mit Andreas Silbersack, Chef des Landessportbundes (LSB), sowie DSV-Präsidentin Gabi Dörries einen Gesprächstermin vorgeschlagen, um die Zukunft zu klären. Bestätigt ist der Termin noch nicht, der Dachverband des Sports nimmt seine Arbeit erst am 9. Januar wieder auf. „Aber wir haben in diesem Gespräch gute Argumente dafür, dass wir als Bundesstützpunkt alle Voraussetzungen erfüllen“, so Kurrat. Mehr als zehn Trainer, alle angestellt beim LSB, arbeiten im Schwimmen, mehr als 20 Athleten sind Bundeskader. Und: „Wir sind nach wie vor eine der stärksten Nachwuchsdynastien in Deutschland“, betonte Kurrat.

Was aber passiert, wenn der Traum vom Stützpunkt platzt und stattdessen Potsdam den Zuschlag erhält? Auch darauf gab Kurrat eine klare Antwort: „Wir werden in den Grundfesten erschüttert, wir könnten nicht auffangen, was finanziell mit Sportstättenfinanzierung, Leistungsdiagnostik und vielem mehr auf uns zukommen würde. Deshalb müssen wir Bundesstützpunkt werden.“

Quelle : volksstimme.de