Bernd Berkhahn ist seit einem Jahr Trainer der Schwimmer des SC Magdeburg. Der Fokus seiner Arbeit und der Spitzenathleten – 13 gehören zu seiner neuen Gruppe – in der kommenden Saison liegt auf der Europameisterschaft 2014 in Berlin. Im Gespräch mit Volksstimme-Redakteur Daniel Hübner lässt der 42-Jährige sein erstes Jahr Revue passieren und gibt zudem einen Ausblick auf seine zweite Saison.
Volksstimme: Bernd Berkhahn, Sie sind seit einem Jahr Trainer des SCM, wie fällt ihr Fazit aus?
Bernd Berkhahn: Insgesamt war das Jahr von den Ergebnissen her sehr erfolgreich und mit drei Startern bei der Weltmeisterschaft in Barcelona sogar besser als gedacht. Nur zu diesem Höhepunkt selbst ist es dann unglücklich gelaufen. Da haben wir wirklich Pech gehabt. Für mich persönlich war es zunächst schwierig, meine Trainingsvorstellungen mit dem Sportsystem vor Ort abzustimmen. Ich hoffe, dass ich im neuen Jahr besser damit zurechtkomme.
Volksstimme: Was wird sich für Sie im zweiten Jahr ändern?
Berkhahn: Mit dem 1. September habe ich die Funktion als leitender Trainer und Stützpunktleiter von Thomas Ackenhausen übernommen. Das bedeutet für mich natürlich mehr Verwaltungsaufwand. In diesen Funktionen werde ich versuchen, zukunftsorientiert zu arbeiten. In der neuen Saison betreue ich eine homogenere Spitzengruppe, das ist für mich deutlich angenehmer, weil ich gedanklich nicht mehr umschalten muss von Nachwuchs auf Erwachsene. Im Moment fühlt es sich gut an.
Volksstimme: Den sportlichen Hebel konnten Sie auch schon in der vergangenen Saison ansetzen. Zum Beispiel bei Schmetterlings-Spezialistin Franziska Hentke haben Sie einiges verändert.
Berkhahn: Das ist immer mein Anspruch, dass ich die Sportler betrachte und dann versuche, ihre Technik zu optimieren, zu sehen, wie ist das Kraftniveau, wie ist die Schnelligkeitsfähigkeit, um entsprechend den Hebel anzusetzen. Die Umsetzung ist aber auch vom Sportler abhängig. Mit Franziska habe ich eine Athletin übernommen, die bereits ihre Qualitäten hat. Trotzdem ist sie die zahlreichen technischen Umstellungen voll mitgegangen, hatte das Interesse, etwas auszutesten, um weiterzukommen. Bei ihr haben wir an ganz vielen Stellen neue Reize geschaffen, und letztlich hat sie sich dafür mit dem Halbfinal-Einzug bei der Weltmeisterschaft in Barcelona belohnt, obwohl auch dort mehr möglich gewesen wäre.
Volksstimme: Sie sprechen die verpasste Finalteilnahme um 0,01 Sekunden über 200 Meter an.
Berkhahn: Sie hat das Rennen inzwischen 100-mal gesehen. Und ich bin mir sicher, dass sie einige Fehler nicht wiederholen wird. Denn bei Franziska kann ich jedes Jahr damit rechnen, dass sie sich weiterentwickelt. Und das ist einfach toll.
Volksstimme: Sie sind im vergangenen Jahr nicht nur als Trainer der Beckenathleten nach Magdeburg gekommen, sondern haben gleich das Freiwasser-Schwimmen aus Elmshorn mitgebracht. Wie empfinden Sie heute die Resonanz auf die Disziplin? Und konnten Sie die angestrebten Ziele erfüllen?
Berkhahn: Bei denjenigen, die mit mir von Elmshorn nach Magdeburg mitgekommen sind, wurden die Erwartungen bei weitem erfüllt, da sich Rob Muffels und Finnia Wunram für die WM qualifiziert haben, was in ihrem Alter (Muffels ist erst 18, Wunram ist 17/d. Red.) unwahrscheinlich ist. Beiden fehlt es noch an Rennerfahrung. Zudem gab es Einschränkungen im Training durch Schule, Internat und Krankheiten. Besonders bei Finnia. Dass sie sich qualifiziert hat als Erste der deutschen Meisterschaften, war aufgrund der starken Konkurrenz überhaupt nicht zu erwarten. Auch im Junioren-Bereich lief es optimal: Finnia ist Vize-Junioreneuropameisterin geworden, Lena-Sophie Bermel ist nach einer schwierigen Saison zum sechsten Platz geschwommen, und mit Marcus Herwig hat sich ein Magdeburger gleich mit einer Staffelmedaille auf europäischer Ebene gemeldet. Aber in der Gesamtausrichtung des Vereins hat sich ansonsten keiner in diesen Bereich gewagt. Das fehlt noch. Da hoffe ich, dass sich das in nächster Zeit ändert.
Volksstimme: Die meisten aus Ihrer neuen Gruppe wollen 2014 bei der Heim-EM in Berlin starten. Das muss einen Trainer doch stolz machen?
Berkhahn: Zum Trainingseinstieg haben wir den Fokus der neuen Saison auf eine Teilnahme an der EM in Berlin gerichtet. Das hat sich eingebrannt, und so muss es auch sein. Johanna Friedrich hat die deutsche Meisterschaft gewonnen über 200 Meter Kraul in diesem Jahr, da muss das Ziel EM heißen, wenngleich sie eine sehr große Konkurrenz hat und sie sich weiter verbessern muss. Auch Rob Muffels kann sich für die 1500 Meter Freistil im Becken qualifizieren. Eventuell erhält Deutschland als Gastgeber im Becken sogar vier Startplätze je Disziplin, weshalb die Chance auf die EM-Teilnahme natürlich größer ist. Und für jeden Sportler ist es das Größte, im eigenen Land bei einem internationalen Ereignis dabei zu sein.
Volksstimme: Wieviel Arbeit erwartet Sie mit Blick auf die EM und in Anbetracht der Größe Ihrer Trainingsgruppe?
Berkhahn: Jeder Sportler muss sich weiterentwickeln und verbessern. Das bedeutet viel Arbeit für ihn und den Coach. Dazu gehören immer wieder Gespräche, dazu gehört viel Intuition des Trainers. Meinen neuen Sportlern muss ich aber zunächst meine Vorstellung vom Schwimmen verdeutlichen. Wir arbeiten derzeit an der athletischen Form und an der Schwimmtechnik. Interessant ist zu sehen, wie sich die Gruppe pusht, gerade bei den Männern. Da findet ein Kampftraining statt, so wie es sein muss. Genau das muss sich bei den Mädchen noch entwickeln. Das hilft ihnen, schwierige Momente im Training zu überwinden und gemeinsam besser zu werden.
Volksstimme: Werden Sie mehr Wettbewerbe als sonst in den Saisonverlauf einbauen?
Berkhahn: Bei mir steht ganz klar die Trainingsstruktur im Vordergrund. Aber wenn ich merke, dass es im Wettkampf daran hakt, dass die Athleten keine Praxis haben oder zu aufgeregt sind, ihnen einfach das Selbstverständnis dafür fehlt, dann müssen auch mehr Wettbewerbe her. Meines Erachtens hatten wir im vergangenen Jahr zu wenig Starts, das müsste sich verbessern. Aber dafür fehlen uns die finanziellen Mittel. Das Problem muss ich lösen, dazu müssen einige Gespräche geführt werden.
Volksstimme: In den ersten Monaten der Saison treffen sich die Schwimmer auf der Kurzbahn, danach werden auf der Langbahn die neuen Helden gesucht. Gibt es in Ihrem Plan eine Medaillenvorgabe für die deutschen Meisterschaften im nächsten Jahr?
Berkhahn: Nein, so etwas mache ich nicht. Letztlich geht es mir immer um die individuelle Entwicklung. Und wenn die passt, passt auch das Resultat. Und wir haben gerade erst angefangen. Zudem habe ich nicht nur die EM im Fokus, langfristig geht es um Olympia in Rio 2016. Und wenn ich Athleten heranführen will an dieses Ziel, muss sich jeder nicht nur für ein Jahr, sondern perspektivisch entwickeln. Dazu wiederum muss auch der Sportler geduldig sein.
Quelle : volksstimme.de