Volksstimme vom 20.11.2013
Kurz vor diesem Finale war der Trainer ihr bester Freund. “Er hatte gemerkt, dass ich außer Rand und Band war”, erinnert sich Johanna Friedrich an den Zustand ihres Nervenkostüms. Bernd Berkhahn half ihr beim Anziehen von Anzug und Badekappe, Bernd Berkhahn hielt ihr die Konkurrenz vom Leibe. Und Bernd Berkhahn sagte nur diesen einen Satz: “Hab einfach Spaß!” Johanna Friedrich hatte Spaß, das ganze Rennen lang, so sehr hatte sie sich die Worte eingeprägt.
Die Freistil-Spezialistin vom SC Magdeburg schwamm der Konkurrenz davon, nicht von Beginn an, denn “meine Stärke ist die zweite Hälfte des Rennens”, erklärt sie. Die ersten 100 Meter kraulte sie also in Lauerstellung, die zweiten 100 Meter auf der Überholspur. Anschlag. “Der war eine Katastrophe, aber ich habe mein Rennen gerettet”, erzählt sie ihre Anekdote aus dem vergangenen April in Berlin, als Johanna Friedrich zum ersten Mal deutsche Meisterin über die 200 Meter Freistil wurde.
Sieben Monate später muss sie noch einiges nachholen von dem, was sie am Tag ihres Triumphes und am Tag zuvor beim Gewinn der Silbermedaille über die 400 Meter eindrucksvoll gezeigt hatte. Und wenngleich mit Silke Lippok (Hamburger SC) ihre härteste Konkurrentin verletzungsbedingt fehlte, sagt sie heute über ihr Titelrennen: “Das war absolut erstaunlich, weil ich in der Vorbereitung oft krank war und erst im Höhentrainingslager in Font Romeu (Frankreich) kurz zuvor die Grundlagen legen konnte.” Sie schwamm Bestzeiten, über 200 Meter eine 2:00,13 Minuten, über 400 Meter eine 4:11,44 Minuten. Und wer weiß, auf welchem Niveau sie in diesem November schwimmen würde, wenn sie einfach da weitergemacht hätte. Aber Johanna Friedrich machte nicht weiter.Mit dem Ende der Meisterschaften beendete sie nämlich die Saison, “aber unbewusst”, ergänzt die 18-Jährige. “Ich wollte nicht etwa die Füße hochlegen und mich auf dem Titel ausruhen. Heute ärgere ich mich tierisch, und Bernd natürlich auch, dass ich die Zeit danach verplempert habe”, erklärt sie selbstkritisch. “Das werfe ich mir vor.” Vielleicht gehört das auch zu ihrer Schwäche, die sie so definiert: “Manchmal fehlt mir die Konsequenz.”
An diesem Donnerstag starten die deutschen Kurzbahn-Meisterschaften in der Wuppertaler Schwimmoper, und Johanna Friedrich rechnet sich nicht viel aus. Sie will einfach schwimmen, sie will einfach den Härtetest, es ist eine Standortbestimmung. Über ihre Distanzen muss sie viele Wenden absolvieren. “Wenden und ich, wir werden keine Freunde mehr”, sagt sie, “aber trotzdem arbeite ich hart daran.” Sie hat zudem athletisch aufgeholt, was ihr in der langen Sommerpause abhanden gekommen war, sagt Trainer Berkhahn. “Das Krafttraining macht mir auch Spaß”, erklärt sein Schützling. Johanna Friedrich ist 1,76 Meter groß. Und wenn sie ihr Potenzial ausschöpfen kann, so erzählt man sich, ist sie zu Großem fähig. Sie sagt über ihre Stärke: “Ich habe einen starken Ehrgeiz entwickelt.” Und dies schon als Kind, als ihre Laufbahn in Halberstadt begann, bevor sie 2006 zur Sportschule wechselte.
Der Ehrgeiz soll sie nun zur Europameisterschaft bringen. “Der Fokus liegt klar auf der Heim-EM in Berlin, dort möchte ich am Start sein”, bestätigt Johanna Friedrich. Die Titelkämpfe steigen im August. Sie will zudem den Sprung in den Bundeskader schaffen. Aber im Mai geht sie zunächst als Titelverteidigerin bei den deutschen Meisterschaften an den Start, sie ist eher vorsichtig mit einer Prognose: “Auf jeden Fall will ich mich wieder vorn etablieren.”
Und manchmal geht alles ganz leicht, wenn man einfach Spaß hat. Bernd Berkhahn wird es immer wieder gern bestätigen.