Bernd Berkhahn stand am Montagvormittag noch beim Training in der Halle an der Großen Diesdorfer Straße, als er übers Handy die gute Nachricht aus Berlin erhielt: Rob Muffels hat beim Belastungstest über 3×200 Meter den letzten Abschnitt in 1:58 Minuten absolviert und dabei einen 26er Puls in zehn Sekunden gezählt. “Das ist vergleichbar mit normalem Fahrradfahren”, sagte SCM-Coach Berkhahn. Die Zahlen bestätigten zugleich seinen Eindruck, den er von seinem 19-jährigen Schützling und auch von Finnia Wunram während des Trainingslagers zuletzt auf der Insel Sardinien gewonnen hatte: “Sie sind topfit und austrainiert, Kraft und Schnelligkeit sind vorhanden.”
Am morgigen Mittwoch beginnt die Europameisterschaft in Berlin, und während die Magdeburger Beckenschwimmer Franziska Hentke und Johanna Friedrich eine oder beinahe zwei Wochen auf ihren ersten Einsatz warten müssen, geht es für Berkhahns Freiwasser-Athleten Wunram und Muffels bereits zum Auftakt ums bestmögliche Ergebnis. “Mein Ziel ist es, unter die Top-Acht zu kommen”, erklärte die 18-jährige Wunram, die morgen um 10 Uhr an der Regattastrecke in Berlin-Grünau in die Fluten springen wird.
“Es ist eigentlich eine leichte Strecke: kaum Wellen, kaum Strömung. Auch die Umgebung ist sehr schön und zuschauerfreundlich. Allerdings ist das Wasser sehr trüb, weshalb es schwieriger ist, die Konkurrentinnen im Blick zu behalten”, berichtete Wunram über den Kurs auf der Dahme. Genau diesen Blick will sie bei ihrem Rennen über zehn Kilometer erst gar nicht verlieren: “Ich will so lange wie möglich in der Führungsgruppe bleiben”, betonte sie vor ihrer EM-Premiere.
Für Rob Muffels beginnen seine zweiten kontinentalen Titelkämpfe nach 2011 um 13.30 Uhr: Es wird ein Rennen gegen die Zeit, ein Time-Trial über fünf Kilometer. “Als deutscher Vizemeister über diese Distanz sollte die Top-Acht auch sein Ziel sein”, erklärte Coach Berkhahn, auch mit der Gewissheit: “Mit einer Platzierung in diesem Bereich gehören beide zur Weltspitze, denn die besten Freiwasser-Athleten kommen aus Europa.”
Zu den Favoriten zählt nicht nur ein Thomas Lurz (34), der zwölfmalige Weltmeister aus Würzburg, dazu zählt auch ein Spyridon Gianniotis aus Griechenland, der 2011 über zehn Kilometer den WM-Titel gewann. “Es gibt fünf, sechs Athleten, die über 1500 Meter unter 15 Minuten schwimmen können: Und das sind auch die Favoriten”, so Berkhahn.
Bei den Frauen ist vor allem Eva Risztov (Ungarn), Olympiasiegerin von 2012, die vermeintlich Gejagte. Aber Berkhahn schätzt deren Teamkollegin Anna Olasz und vor allem die Italienerinnen um Martina Grimaldi, die bei den Spielen in London Bronze über zehn Kilometer gewann, noch stärker ein. Nicht zu vergessen: Isa-belle Härle (26/Essen) und die so erfahrene Angela Maurer (39/Mainz) aus dem Lager des Deutschen Schwimm-Verbandes.
Wunram kennt all diese Namen bestens, manche Konkurrentinnen auch persönlich. “Wenn ich an der Wettkampfstrecke bin und sie alle erstmals sehe, dann kommt auch das Kribbeln”, hatte sie vor einigen Tagen vermutet. Gestern war es soweit, als auch sie den Belastungstest über 3×200 Meter auf der Dahme schwamm und den letzten Abschnitt in 2:10 Minuten absolvierte – bei Puls 27 in zehn Sekunden. “Da hatte ich mir eine etwas schnellere Zeit erhofft”, erklärte Berkhahn. Beunruhigen konnte ihn das Ergebnis aber nicht. Denn für den Coach gilt: “Das Kribbeln kommt erst, wenn ich an der Rennstrecke stehe.”