Bernd Berkhahn liebt Musik. Das letzte Album, das er sich geleistet hat, ist das neue Werk der amerikanischen Folk-Band Beirut. Es heißt „No No No“. Es zieht wie ein warmer Wind ins Ohr. Es ist die pure Entspannung in Tönen. Perfekt für den gemütlichen Abend am Ende eines langen Tages. Von langen Tagen gibt es sehr viele im Leben des Schwimmtrainers Berkhahn. „Der Rest deines Lebens kommt zu kurz“, sagt der Magdeburger Stützpunktleiter.
Dieser Rest kommt noch viel kürzer, wenn der Olympia-Zyklus auf sein Ende zugeht, wenn bei den Sommerspielen in Rio 2016 das Werk einer vierjährigen Arbeit vollendet werden soll. Berkhahn will an der Copacabana die SCM-Athleten Franziska Hentke und Johanna Friedrich ins Becken und Rob Muffels ins Freiwasser schicken. Dafür entwickelt er Ideen, Trainingspläne, terminiert Wettbewerbe, reist ins Höhentrainingslager wie aktuell in Sierra Nevada (Spanien).
Oder er schlägt jeden Morgen um 5.45 Uhr im Büro der Elbehalle auf, egal ob gerade der Krokus blüht, die Sonne ihre ersten warmen Strahlen schickt, das Herbstlaub die Bürgersteige bedeckt, der Schnee unter den Füßen knackt. „Ich habe Freude daran, mit den Sportlern zusammenzuarbeiten“, sagt der 44-Jährige, „aber wenn es morgens immer dunkler wird, ist auch meine Motivation nicht immer die gleiche. Man muss lernen, damit umzugehen.“
Das hat er längst, seit 1990 steht Berkhahn als Coach am Beckenrand. Trotzdem empfindet er seinen Beruf nicht mal als Traumberuf. Vor einigen Monaten hat er in einem MDR-Bericht erklärt, wie viele Überstunden er in die Arbeit investiert, wie viel Freizeit er für den Erfolg opfert – und wie wenig der deutsche Sport das alles entlohnt: nämlich gar nicht. Ein Aufschrei? „Das war kein Aufschrei. Ich habe einfach meine Situation dargestellt. Das Thema ist ja nicht neu. Letztlich gibt es im Sport noch keine Organisationsstruktur, um eine Förderung und Honorierung der Trainerarbeit herbeizuführen.“
Es sind also die Emotionen, die den Bedarf an Zufriedenheit stillen. In Magdeburg, wo er 2012 die Nachfolge von Bernd Henneberg antrat, hat er viel geschafft. Zuletzt sicherten Finnia Wunram und Rob Muffels bei der Weltmeisterschaft dem Deutschen Schwimmverband (DSV) einen kompletten Medaillensatz im Freiwasser. Beide Athleten, sie 19, er 20, hatte Berkhahn im Sport großgezogen. Beide hatte er von Elmshorn nach Magdeburg mitgebracht.
Hentke, die WM-Vierte über 200 Meter Schmetterling, hat sich indes zur „zweitbesten Wendenschwimmerin der Welt“ auf ihrer Strecke entwickelt, wie eine Auswertung ergab. „Damit haben wir viel erreicht“, so Berkhahn. Vor nicht allzu langer Zeit hätte die 26-Jährige beim Wort Wende noch die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen.
Alles tolle Erfolge, „und man freut sich, dass sich der Aufwand gelohnt hat“, erklärt Berkhahn – aber die sich eben finanziell für ihn null auszahlen. Sein Motto ist trotzdem nicht „No No No“, sondern „Yes Yes Yes“. Denn Berkhahn hat seine Ideen, sein Werk und einen Gerechtigkeitssinn, mit dem er sich immer für seine Athleten einsetzt – und dabei durchaus ungemütlich werden kann.
Nur nach Rio hat der gebürtige Schleswiger etwas anderes im Sinn, als lange Tage am Beckenrand zu verbringen. Nach einem Jahr der Reisen durch die Welt wird er „am wunderschönen Sandstrand von Amrum sitzen“. Und er möchte dann „zufrieden sein mit dem, was ich geschafft habe“. Die Insel hat es ihm nicht nur angetan, „weil ich die Nordsee hochgradig entspannend finde“. Die Insel ist Heimat. Und die ist unbezahlbar.
von Daniel Hübner
Quelle : volksstimme.de