Friedrich: „Habe das Wasser gehasst”

Johanna Friedrich
Foto : Jo Kleindl
Von Daniel Hübner

Magdeburg | Im Januar meldete sich Unteroffizierin Johanna Friedrich beim SC Magdeburg zum Dienst in der Elbehalle. Bereit für das Wasser. Bereit für das Training. Bereit für das Ziel. Fünf Monate lang hatte sie Abstand von der großen Enttäuschung gesucht, vom geplatzten Olympia-Traum. Und sie hatte sich die Frage nach dem Sinn ihres Sportlerlebens gestellt: „Wofür reißt man sich den Arsch auf, wenn man doch nicht belohnt wird?“

Manchmal saß sie weinend in ihren vier Wänden, weil „ich nicht wusste, wie ich diesen Rückschlag jemals verkraften und wie ich überhaupt noch einmal zurückfinden sollte“, berichtet die 21-Jährige. Erst verpasste sie bei den deutschen Meisterschaften im Mai die Einzelnorm für die Rio-Spiele, dann verpasste sie bei den German Open im Juli den Platz in der Staffel. Das war ihr 2016. Folge: „Ich habe danach das Wasser gehasst“, erinnert sich die Freistil-Spezialistin.

Es musste erst der Bundeswehr-Lehrgang kommen, die „coole Truppe“ aus gleichgesinnten Sportlern, um ihr das Lächeln zurückzugeben. Und sie musste wieder einen Weg finden, um das Schwimmen „lieben zu lernen“. Das hat sie geschafft – vor allem mit der separaten U-23-Norm für die Weltmeisterschaft im Juli 2017 in Budapest, die Bundestrainer Henning Lambertz seinen Perspektiv-Athleten geschenkt hat.

Wenn also die nächsten nationalen Titelkämpfe in Berlin (15. bis 18. Juni) durchs Becken gehen, muss Friedrich im Finale über die 200 Meter eine 1:58,09 Minuten (Bestzeit: 1:58,98) vorlegen, über 400 Meter verlangt Lambertz im Vorlauf eine 4:10,57 Minuten (Bestzeit: 4:09,52). Über beide Strecken muss sie zudem Gold oder Silber gewinnen, dann ist sie in Budapest dabei. Auch in der Staffel kann sie ihren Platz finden, jedoch: „Ich will zum Saisonhöhepunkt immer über eine Einzelstrecke starten“, sagt die zweifache deutsche Meisterin. Hätte sie indes die Elite-Norm liefern müssen (1:56,63 und 4:04,36), wäre sie wohl verzweifelt: „Da bin ich ehrlich. Diese Zeiten schaffe ich nicht, erst recht nicht nach fünf Monaten Pause.“

Dabei hat ihr diese lange Unterbrechung auch gezeigt, in welchem starken athletischen Zustand sie vor Rio gewesen ist. Denn nach nur wenigen Wochen in vollem Training „fühle ich mich topfit“, berichtet Friedrich. Dennoch will sie künftig mehr auf ihren Körper hören, will mit Psychologin Christine Stucke zusammenarbeiten, wenn ihr danach ist: „Manchmal ist mir aber einfach nicht nach Reden.“

Trainer Bernd Berkhahn „hat in den letzten Monaten die Leine unheimlich locker gelassen“, sagt sie. Etwas anderes blieb ihm auch nicht übrig. „Hätte er versucht, mich ins Wasser zu prügeln, wäre es erst recht nichts geworden.“ Die Phase ihrer Selbstfindung scheint nun abgeschlossen: „Ich bin schon Serien geschwommen, die liefen schneller als noch vor Olympia, und auch im Krafttraining habe ich super Fortschritte gemacht“, erklärt Friedrich. Jetzt fehlen noch Geschwindigkeit und Ausdauer.

Hat sie sich beides erarbeitet, klappt es auch mit den Zielen: Dazu gehört nicht nur die Teilnahme in Budapest. „Ich möchte einfach mal wieder einen raushauen“, erklärt sie. Optimistisch dafür ist sie jedenfalls, „weil der Druck nicht so groß ist, weil keiner etwas von mir erwartet“. Ein Versprechen kann man Johanna Friedrich allerdings nicht abringen: ihren Angriff auf die Sommerspiele 2020 in Tokio.

Quelle : volksstimme.de