Von Daniel Hübner
Glasgow/Magdeburg | Noch lange nach ihrem Anschlag hielt sich Franziska Hentke am Beckenrand fest, starrte die gelben Kacheln an, verarbeitete ihre Enttäuschung. Es gab Großevents, bei denen ihre Tränen geflossen waren nach einer Niederlage – wie nach dem undankbaren vierten Platz bei der Weltmeisterschaft in Kazan 2015. Am Montag flossen keine Tränen nach dem „Blech“ von Glasgow, am Montag analysierte Hentke nüchtern das Ergebnis einer „holprigen Saison“, wie sie die 29-Jährige vom SC Magdeburg schon einige Jahre nicht mehr erlebt hat. Und in der sie permanent ihr Tempogefühl gesucht hat.
2:07,75 Minuten reichten im Finale über 200 Meter Schmetterling bei der Europameisterschaft in Glasgow weder für die Titelverteidigung noch für eine Medaille. 2:07,75 Minuten waren auch keine Saisonbestleistung, im April war sie schon 54 Hundertstel schneller bei den German Open in Berlin. 2:07,75 Minuten waren so weit weg von ihrem eigenen deutschen Rekord (2:05,26) und vor allem von ihrem eigenen Anspruch. Deshalb: „Mich ärgert weniger der vierte Platz als die Zeit. Das ist nicht das, was ich kann“, sagte Hentke.
Für die Siegerzeit nämlich, 2:07,13 Minuten durch Boglarka Kapas aus Ungarn, konnte man Hentke in der jüngeren Vergangenheit um zwei Uhr nachts wecken und ins Becken schicken. Und natürlich auch für die Zeiten der Zweiten und der Dritten: Swetlana Tschimrowa (Russland/2:07,33) und Alys Thomas (Großbritannien/2:07,42).
Falsch eingeschätzt
Dabei startete sie locker in ihren Endlauf, wie sie schon am Sonntag ins Halbfinale gestartet war. So locker, so schnell. „Die ersten 100 Meter waren richtig gut“, sagte Hentke. „Aber nach 130 Metern fing es an wehzutun. Ich bin wahrscheinlich für meinen Trainingszustand einen Ticken zu aggressiv reingegangen und dann hintenraus gestorben wie schon lange nicht mehr.“ Ihr Trainer Bernd Berkhahn meinte: „Sie war zu schnell vorne, hat zu viel Aufwand betrieben, dabei war das Rennen langsam.“ Hentke bestätigte am späten Abend der Volksstimme: “Ich war wohl zu ehrgeizig beziehungsweise habe es falsch eingeschätzt.”
Die Vorschlussrunde hatte sie eigentlich darin bestätigt, dass der Abstand zum Höhentrainingslager in der Sierra Nevada (Spanien) ideal sein könnte, dass sie pünktlich zum Höhepunkt der Saison doch noch eine Topleistung abrufen könnte. Das konnte sie aber nicht.
Und dies zu keiner Phase der Saison. Kurz vor der EM hatte sie Zweifel geäußert ob der langsamen Zeiten. „Vielleicht liegt es an mir“, hatte sie vermutet. Coach Berkhahn hatte sodann erklärt: „Sie muss einfach den Glauben in ihre Stärken wiederfinden.“
Und vielleicht kam dann noch der Druck hinzu: Immerhin fehlten Weltmeisterin Mireia Belmonte (Spanien) aus gesundheitlichen Gründen und Katinka Hosszu (Ungarn) in diesem Wettbewerb. Vor einem Jahr bei der WM in Budapest lautete das Endergebnis: 1. Belmonte, 2. Hentke, 3. Hosszu.
Womöglich hatten alle deshalb Gold erwartet, Hentke indes wollte einfach eine Medaille. Aufgrund und am Ende einer „holprigen Saison“.
Quelle : volksstimme.de