[youtube vN6evNihujg nolink]4. Platz Franziska Hentke, 200m Schmetterling Finale
[Veranstaltungstabelle]
Stettin/MZ. Sein Platz ist unumstritten vorn. Als Paul Biedermann am Mittwoch mit der Schwimm-Nationalmannschaft im Bus zur Kurzbahn-EM nach Stettin aufgebrochen ist, saß er direkt hinter dem Fahrer. Das macht er immer so. Und man möchte es fast symbolisch deuten: Wo Biedermann ist, ist eben vorn. Und mit ihm an der Spitze hat sich Sachsen-Anhalt in der Sportart Schwimmen einen unangefochtenen Status erworben.
Bei der EM ab Donnerstag im polnischen Stettin stellt das Bundesland fünf von 22 deutschen Startern – fast ein Viertel der DSV-Mannschaft also. Neben Biedermann sind die Hallenserinnen Daniela Schreiber und Theresa Michalak dabei sowie die Magdeburger Christian Kubusch und Franziska Hentke. “Wir sind in Deutschland Spitze”, sagt auch Helmut Kurrat, der Chef des Olympiastützpunkts Sachsen-Anhalt. Und damit wird klar: Die Becken-Athleten aus Halle und Magdeburg bilden auch das Rückgrat, wenn es um den Olympia-Kader des Bundeslandes geht.Kurrat wird deshalb einen genauen Blick auf die Stettiner Titelkämpfe werfen. Obgleich sie im nichtolympischen 25-Meter-Becken ausgetragen werden, “ist die Kurzbahn-EM eine wichtige Etappe auf dem Weg zu den Spielen”, sagt er. “Sie bietet den Athleten die Chance, ihre Anwartschaft auf einen Startplatz im London zu untermauern. Oder noch auf den Olympiazug aufzuspringen.”
Und dieser Zug nimmt langsam Fahrt auf. Es gibt nicht mehr viele Möglichkeiten für internationale Kräftemessen im Vorfeld der Spiele: die vorolympischen Testwettkämpfe in London Anfang März und die EM auf der 50-Meter-Bahn Ende Mai in Antwerpen eine Woche nach den deutschen Meisterschaften als nationalem Höhepunkt. “Wer jetzt in Stettin noch nicht dabei ist, ist zweifellos im Nachteil”, sagt Kurrat.
Einen will er von dieser Einschätzung allerdings ausnehmen: Helge Meeuw. Drei Wochen musste der Magdeburger Routinier zuletzt wegen einer Grippe das Wasser meiden. Kurrat: “Das war ganz einfach nicht mehr aufzuholen.” Doch Meeuw ist ein Sonderfall. Er ist derzeit der einzige international konkurrenzfähige Rückenschwimmer in Deutschland – und damit für die Olympia-Staffel unverzichtbar.
Kurrat ist überzeugt, dass der zweifache Vizeweltmeister im Mai die Qualifikationshürden schafft. Nimmt man Meeuw dazu, schicken sich also sechs Sachsen-Anhalter Schwimmer an, in London anzutreten. Zum Vergleich: 2008 waren es mit Biedermann, Kubusch und der mittlerweile zurückgetretenen Antje Buschschulte nur drei.
Zwei fünfte Plätze waren seinerzeit die besten Ergebnisse. Das Besondere der London-Kandidaten: Drei von ihnen sind sogar potenzielle Medaillenanwärter – Weltrekordler Biedermann in den Einzelrennen, Schreiber und eben Meeuw in den Staffeln. In keiner anderen olympische Sportart gibt es in Sachsen-Anhalt derzeit eine derartig hohe Qualität. Oder anders herum: Für das Bundesland ist Schwimmen zur wichtigsten Disziplin geworden für Olympia – 2012, aber auch darüber hinaus.
Denn Kurrat hat noch ein weiteres Qualitätsmerkmal ausgemacht: Hinter den Assen stehen inzwischen auch einige Anschlusskader auf dem Sprung. Talente wie Kevin Leithold, Max Kraus, Johanna Friedrich oder Paula Beyer wecken Hoffnungen schon für den nächsten Olympiazyklus. “Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals so breit aufgestellt waren.”
Hoffnung macht zudem, dass mit der gerade eingeweihten hochmodernen Trainingsstätte in Halle beste Voraussetzungen für die Zukunft geschaffen worden sind. In keinem anderen Stützpunkt bundesweit gibt es derart gute Bedingungen. Einzig eine Videoanlage fehlt noch, mit deren Hilfe zum Beispiel die Wenden perfektioniert werden können. “Ich denke aber, dass mit Beginn des neuen Jahres auch dieses Problem gelöst sein wird”, sagt Kurrat.
Der Olympiastützpunkt hat ein ambitioniertes Ziel ausgegeben. “Wir wollen im kommenden Jahr 20 Sportler nach London schicken”, sagte Kurrat bei der Einweihung der neuen Schwimmhalle. Knapp 40 Sportler kommen dafür infrage. Nur: Die Schwimmer allein werden es nicht richten können. Und andere Traditionssportarten des Landes stecken im Loch. Bestes Beispiel dafür sind die Ruderer. “Bei den letzten Weltmeisterschaften war keiner aus unserem Land in den olympischen Disziplinen vertreten”, moniert Kurrat. “Da hoffen wir ganz einfach auf Steigerungen.”
VON Marc Zeilhofer