Volksstimmevom 14.06.2014:
Johanna Friedrich ist im wahrsten Sinne des Wortes ins vorzeitige Saisonende „gestürzt”:
Die 19-jährige Freistilspezialistin vom SC Magdeburg wollte von Freitag bis Sonntag beim Schwimmfest in Rom internationale
Wettkampf-Luft schnuppern, doch bei einem Ausflug durch die italienische Hauptstadt erlitt Friedrich bei einem unglücklichen Sturz eine Fraktur des Ellenbogens. Ein Bild im sozialen Netzwerk „Facebook” zeigt sie mit komplett eingegipstem rechtem Arm. „Das war’s
erst mal Schwimmen”, formulierte sie dazu kurz. Friedrich kehrt am Montag nach Magdeburg zurück.
Damit ist auch ihr EM-Traum geplatzt: Bei den 126. Deutschen Meisterschaften Anfang Mai war Friedrich über 400 Meter Freistil zu Gold geschwommen und hatte dabei die Norm für die Europameisterschaften (13. bis 24. August) im Berliner „Velodrom” geknackt.
In der Empfindung einer 19-Jährigen ist der Abiball ein Höhepunkt des Lebens: der Abschied einer Ära, der Beginn eines neuen Abschnitts. Beim Abiball kommen ein letztes Mal alle zusammen, die man künftig meist nur vereinzelt sehen wird, weil unterschiedliche Perspektiven der Individuen die Gruppe zerreißt.
Deshalb muss auch Johanna Friedrich dabei sein, wenn am 4. Juli das Magdeburger Sportgymnaisum seinen ältesten Schülerjahrgang in die große Freiheit entlässt. Dass die Schwimmerin vom SC Magdeburg dabei sein darf, hat sie ihrem Trainer zu verdanken, weiß Friedrich: “Ich hätte nicht gedacht, dass es klappt.”
Aber ihr Trainer Bernd Berkhahn weiß schon, was seinem Schützling wichtig ist, er sieht es auch positiv: Ihr Ausflug trage durchaus zur Entspannung bei. Friedrich bestreitet nämlich in der Zeit, in die der Abiball fällt, ihr Trainingslager mit dem Deutschen Schwimmverband (DSV) in Sierra Nevada (Spanien). “Ich werde 40 Stunden in Deutschland sein”, hat sie den Hinflug-Party-Rückflugplan vorgerechnet, ehe es für sie auf der iberischen Halbinsel weitergeht mit Blick auf die Europameisterschaften in Berlin (13. bis 24. August).
Das Ticket hat sie sich über die 400 Meter Freistil quasi gesichert, bei den nationalen Titelkämpfen hatte sie die EM-Norm mit Bestzeit (4:10,49 Minuten) geknackt, bei ihrem Silberplatz über 200 Meter ebenfalls in Bestzeit (1:59,45) hatte sie die Norm derweil knapp verpasst – aber mehr noch ärgerte sie, den Titel nicht verteidigt zu haben.
“Ich war pappesatt”, sagte Friedrich am Rande der Norddeutschen Meisterschaft am vergangenen Wochenende in der Elbehalle. Im ersten Moment nach dem Rennen hatte sie die ganze Welt dafür verflucht, im zweiten verfluchte sie sich selbst: “Ich war das Rennen einfach viel zu langsam angegangen”, weshalb Friedrich trotz starker Schlussbahnen die furios startende und spätere Meisterin Annika Bruhn (Bietigheim) nicht mehr erreicht hatte. Inzwischen hat sie die Niederlage zur Akte “Erfahrungswerte” gelegt.
Wie alle, die bei den Meisterschaften die Norm erfüllt haben, muss auch Johanna Friedrich eine zweite Qualifikation bestreiten, allerdings sind die geforderten Zeiten beim Wettbewerb im Juli in Essen deutlich langsamer als bei der deutschen Meisterschaft. Dafür schnuppert sie bereits internationale Luft zunächst an diesem Wochenende beim Mare Nostrum in Monte Carlo (Monaco) und eine Woche später beim Schwimmfest in Rom (Italien).
“Eine 4:08 Minuten über 400 Meter will ich schaffen”, sagt sie, nach heutigem Stand wäre sie damit Top-Ten in Europa. “Ich liebäugle mit dem EM-Finale. Aber dafür muss ich noch härter trainieren.” Härter als zurzeit jedenfalls, meint Trainer Berkhahn: “Dann kann sie die Zeit auch schaffen.”
Zunächst geht es noch zur letzten mündlichen Abiprüfung im Fach Ethik am 20. Juni, es folgt der Ball der Lebenswende. “Ich kann gar nicht glauben, dass dann alles vorbei ist”, sinniert Friedrich. Sie könnte sich schon mal mit der Freude auf das, was danach kommen wird, anfreunden.
von Daniel Hübner
Quelle : volksstimme.de